„Eine geschlossene europäische Lieferkette für Batterien könnte erreicht werden“ – Interview mit Jie (Jessie) Xu, Senior Research Analyst bei Rho Motion

Jie (Jessie) Xu wird am 6. November 2025 bei den Hungarian Battery Days einen Vortrag halten.
Mit der zunehmenden Batterieproduktion in ganz Europa wird Recycling sowohl zur Notwendigkeit als auch zur strategischen Herausforderung. In diesem Interview erläutert Jie (Jessie) Xu, Senior Research Analystin für globales Batterierecycling bei Benchmark Mineral Intelligence/Rho Motion, den aktuellen Stand des globalen Batterierecyclings, regionale Unterschiede und die technologischen Hürden, die die Branche prägen.
Chinas überwältigende Dominanz„Der globale Markt für Batterierecycling ist durch starke regionale Unterschiede und eine Mischung aus Fortschritten und anhaltenden Herausforderungen gekennzeichnet“, betont Frau Xu und skizziert damit den aktuellen Stand und die Herausforderungen des globalen Batterierecyclings. Sie weist zudem auf die überwältigende Dominanz Chinas hin.
„Beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien wird üblicherweise zwischen Vorbehandlung und Raffination unterschieden. Im September erreichte die weltweite Vorbehandlungskapazität rund 3,6 Millionen Tonnen, wobei über 77 Prozent in China und nur etwa 9 Prozent in Europa angesiedelt sind. Die Raffinationskapazität ist noch stärker konzentriert: Allein China hält rund 88 Prozent des Weltmarkts, Asien insgesamt 98 Prozent, während sich nur etwa 2 Prozent der Raffinationskapazität in Europa oder Nordamerika befinden.“
Wie sie betont, prägt die Verfügbarkeit von Rohstoffen die Entwicklung der Recyclingkapazitäten. Produktionsabfälle stellen dabei die Hauptquelle globalen Materials dar, die sich aufgrund der hochentwickelten Batterie- und Elektrofahrzeugfertigung größtenteils in Asien konzentriert. Gleichzeitig ist der Markt kurzfristig durch begrenzte Rohstoffe und niedrige Batteriemetallpreise gekennzeichnet, was die Gewinnmargen schmälert und den Wettbewerb verschärft.
Die Herausforderungen variieren daher je nach Region: Europa und Nordamerika stehen vor Technologie-, Kapital- und Lieferkettenlücken, die den Ausbau der Raffineriekapazitäten trotz regulatorischen Drucks behindern. In China und Südkorea führen niedrige Auslastungsraten aufgrund von Überkapazitäten und Preisschwankungen zu sinkender Rentabilität und drängen weitere KMU vom Markt. „Insgesamt entwickelt sich die Branche zwar, aber die Entwicklung verläuft ungleichmäßig. Asien, insbesondere China, ist führend bei den Kapazitäten, während der Rest der Welt versucht, aufzuholen“, stellt sie fest.
Technologische und strategische HerausforderungenLaut Frau Xu liegt eine der größten Herausforderungen in der Technologie zur effizienten Rückgewinnung wertvoller Materialien aus Altbatterien. Sie erläutert die wichtigsten Technologien und hebt hervor, dass Pyrometallurgie, Hydrometallurgie und direktes Recycling zu den gängigsten Verfahren zählen, wobei sich letzteres noch in der Anfangsphase der Kommerzialisierung befindet. Die Hydrometallurgie hat sich insbesondere in Asien und China als Standardverfahren etabliert.
„Die Erfahrungen in Asien zeigen, dass die Hydrometallurgie sich für das industrielle Batterierecycling bewährt hat und hohe Rückgewinnungsraten für Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan in allen chemischen Zusammensetzungen (LFP, NCM, LCO) bei geringeren Energiekosten als die Pyrometallurgie erzielt. In Europa stellen jedoch strengere Umweltauflagen und höhere Energiekosten zusätzliche Herausforderungen dar. Neue Technologien wie das direkte Recycling erreichen derzeit die Testphase im kommerziellen Maßstab und bieten das Potenzial für einen geringeren Energieverbrauch und minimalen Chemikalieneinsatz. Dadurch sind sie umweltfreundlicher und vielversprechend für eine breite Anwendung.“
Ein wesentliches Problem besteht derzeit darin, dass die Lithiumgewinnung aus verschiedenen Gründen hinterherhinkt. „Beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien liegt der Schwerpunkt aktuell auf der Gewinnung von Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan. Dafür müssen die Altbatterien zunächst zu einer Art ‚Schwarzmasse‘ vorbehandelt werden, bevor sie raffiniert werden können. Die Lithiumgewinnung stellt die Recyclingunternehmen jedoch weiterhin vor Herausforderungen, da Lithium aufgrund seiner hohen Löslichkeit im Säureauslaugungsprozess verloren gehen kann. Hinzu kommt, dass in Europa die meisten Raffinerien aufgrund ihres höheren Wertes immer noch die Gewinnung von Kobalt und Nickel gegenüber Lithium priorisieren, wodurch die Lithiumgewinnung unter dem erforderlichen Niveau bleibt.“
Für Recyclingunternehmen ohne vertikale Integration bestehen die technologischen Herausforderungen auch darin, zu bestimmen, welche Endprodukte anvisiert werden sollen – ob Metallsalze in Sulfat-, Carbonat- oder Hydroxidform – und potenzielle Kunden zu identifizieren, da es in Europa nur wenige pCAM-Produzenten gibt.
Neben diesen technologischen Schwierigkeiten stellt die Einhaltung regulatorischer Vorgaben eine zusätzliche Herausforderung dar. „Die neue EU-Batterieverordnung schreibt Recyclingquoten von mindestens 50 Prozent Lithium und 90 Prozent Nickel und Kobalt bis 2027 vor, die bis 2031 auf 80 Prozent Lithium und 95 Prozent Nickel und Kobalt steigen sollen. Unter den aktuellen Marktbedingungen stellen diese Anforderungen eine zusätzliche Hürde für Recyclingunternehmen dar, die die gesetzlichen Vorgaben erfüllen müssen. Hinzu kommt, dass technologische Innovationen erhebliche Investitionen erfordern, während niedrige Rohstoffpreise und der starke Wettbewerb aus Asien den Fortschritt in Europa bremsen.“
Die Vorbehandlung soll lokal erfolgen, die Raffination in bestimmten Regionen konzentriert werden.Unter den potenziellen Strategien ist es schwierig, eine erfolgversprechende auszumachen, da sich die Technologien noch in der Entwicklungsphase befinden. Dennoch lassen sich einige Tendenzen prognostizieren. „Die Vorbehandlung wird voraussichtlich lokal bleiben und von der geringeren technologischen Komplexität, dem niedrigeren Kapitalbedarf und der durch die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) bedingten Nachfrage nach sachgerechter Batterieentsorgung vor Ort profitieren. Die Raffination, insbesondere die hydrometallurgische Raffination, wird sich aufgrund des höheren Technologie- und Investitionsbedarfs wahrscheinlich auf bestimmte Regionen als Drehscheiben für die aus verschiedenen Regionen stammende Altbatterie konzentrieren, wobei der Fokus auf der effizienten Gewinnung von Batteriemetallen im großen Maßstab liegt“, so Frau Xu.
Bezüglich des Potenzials Mittel-, Ost- und Südosteuropas hebt sie diese Regionen als aufstrebende wichtige Knotenpunkte in der Lieferkette für Lithium-Ionen-Batterien hervor. „Laut Prognosen von Benchmark werden Gigafabriken in Ungarn und Polen bis 2030 voraussichtlich eine Kapazität von über 243 GWh erreichen. Dies ermöglicht einen leichteren Zugang zu Produktionsabfällen und kann die lokale Recyclingentwicklung fördern. Gleichzeitig sind in diesen Regionen auch pCAM/CAM-Anlagen in Planung.“
„Wenn Produktionsstätten entlang der gesamten Batterielieferkette hier angesiedelt würden, könnte eine geschlossene europäische Lieferkette von der Herstellung bis zum Recycling realisiert werden. Neben der Verfügbarkeit von Rohstoffen und einer starken staatlichen Förderung durch Gesetze und Finanzmittel sowie niedrigeren Energie- und Arbeitskosten im Vergleich zu Westeuropa könnten diese Regionen ihre Recyclingkapazitäten potenziell erfolgreich ausbauen, insbesondere für die industrielle Raffination von Schwarzerde, beispielsweise mittels Hydrometallurgie.“
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